In Waldkindergärten können die Kinder sehr bewusst und ganzheitlich religiöse Grundeinstellungen erwerben.
Durch den täglichen Aufenthalt im Freien entsteht bei den Kindern eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Dies macht es den Kindern möglich, die Grundhaltungen des Staunens, Dankens und Bittens auf natürlichste Weise zu erfahren. So sehnen sie beispielsweise im Herbst den ersten Schnee herbei, freuen sich über die Rinnsale, die sich bei starkem Regen bilden oder staunen über den ersten Zitronenfalter im Frühling. Im Erleben der Vielfalt der Schöpfung entsteht eine Wechselwirkung zwischen Gefühlen der Geborgenheit, des Vertrauens und Trostes einerseits, sowie der Wertschätzung der Natur und des Lebens anderseits. Aus diesem Empfinden heraus lernen die Kinder für ihren weiteren Lebensweg, Verantwortung für sich, ihr Handeln und dessen Folgen zu übernehmen.
Auch den Prozess des Werdens, Vergehens und Erwachens erleben die Kinder in der Natur immer wieder aufs Neue. Beispielsweise indem sie die Frösche beim Laichen beobachten oder im Frühling erleben, wie der Schnee schmilzt und nach und nach alles zu neuem Leben erwacht. Über Fragen der Sinngebung, die sich aus solchen Situationen ergeben, kann man mit den Kindern gut philosophieren.
Jeden Tag meistern die Kinder im Wald neue Herausforderungen und finden für verschiedenste Probleme kreative Lösungen. Sie müssen Misserfolge verkraften und lernen während des Spiels mit anderen Kindern ihre eigenen Stärken und Schwächen kennen. Durch diese intensive Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Körper kann sich jedes Kind als individuelle Persönlichkeit erleben und ein positives Selbstbild entwickeln. Diese positive Einstellung zu sich selbst ist eine grundlegende Vorraussetzung für die Entwicklung moralischer Werte. Denn erst, wenn ich mich selbst achte, kann ich auch andere mit ihren Stärken und Schwächen akzeptieren bzw. tolerieren.
Im Waldkindergarten ist es besonders wichtig, dass die Kinder einander helfen, aufeinander acht geben und aufeinander warten können, denn nur so kann der Alltag im Wald gemeinsam bewältigt werden. Von Anfang an erleben die neuen Kinder dieses System und beginnen sehr schnell diese Handlungsweisen zu übernehmen. Sie entwickeln so im Laufe der Zeit viele soziale Kompetenzen, wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Einfühlungs-vermögen, u.v.m. In einer spielzeugfreie Umgebung erkennen die Kinder, was im Leben wirklich wichtig ist und zu ihrer Zufriedenheit beiträgt. So wird dem Konsumdenken, dass in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt, entgegengewirkt.
Ob darüber hinausgehend religiöse Werte im engeren Sinne vermittelt werden, liegt im Ermessen des Erzieherteams. In vielen Wald- und Naturkindergärten gehört aber das Vorbereiten und Feiern von religiösen Festen wie Erntedank, Weihnachten und Ostern zum festen, gar nahe liegenden Ablauf. Biblische Geschichten und Erzählungen aus anderen religiösen Kulturkreisen oder Dankgebete zur Brotzeit können das Angebot ergänzen.